Am 12. Dezember fand eine öffentliche Anhörung zum Entwurf eines achten Gesetzes zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes (BT-DS 20/4684)
durch den Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages statt. ver.di hat dazu eine Stellungnahme abgegeben.
Stellungnahme
ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßt die sich mit dem Gesetzentwurf ankündigende Änderung des Regionalisierungsgesetzes. Insbesondere unterstützt ver.di die Zielsetzungen des Gesetzentwurfes:
Wir weisen allerdings auf folgende im Zusammenhang mit dem Erreichen der gesetzten Ziele durch den Gesetzentwurf nicht berücksichtigten Schwierigkeiten hin:
Ziel „Abfederungen der Preissteigerungen“ – Personalkosten nicht berücksichtigt
Die in den vergangenen Monaten durch die Energiekrise und die (teilweise auch dadurch vorangetriebene) Inflation sich entwickelnden Kostensteigerungen sind nicht abschließend kalkulierbar. Der VDV hat die Mehrkosten für die Jahre 2022 und 2023 auf jeweils 1,65 Milliarden Euro beziffert. Die durch den Gesetzentwurf vorgesehene Erhöhung der Regionalisierungsmittel kann nach der Einschätzung von Fachleuten gemeinsam mit weiteren politischen Maßnahmen (ibs. der Strompreisbremse) diese Mehrkosten weitgehende ausgleichen.
In die Berechnungen des VDV sind aber mögliche Erhöhungen der Personalkosten über das üblicherweise von den Unternehmen kalkulierte Maß (i.d.R. zwischen zwei und vier Prozent jährlich) nicht einbezogen. Tatsächlich wurden aber im laufenden Jahr schon zahlreiche Tarifabschlüsse mit deutlich höheren Einkommensaufwüchsen getätigt; für das kommende Jahr ist zu erwarten, daß sich diese Entwicklung fortsetzt. Mit den hieraus entstehenden Mehrkosten werden die Unternehmen allein gelassen.
Für die Zukunftsfähigkeit des ÖPNV ist unerläßlich, daß die Arbeitsbedingungen in der Branche attraktiver werden, um im Umfeld des grassierenden Fachkräftemangels mindestens die hohen demographisch bedingten Abgänge in der Beschäftigtenschaft ausgleichen zu können. Die fehlende Berücksichtigung der daraus wie der aus den notwendigen Lohnerhöhungen entstehenden Kosten setzt die ÖPNV-Unternehmen weiter unter Druck. Ergebnis sind schon heute regelmäßige Ausfälle von Fahrten und planmäßiges Ausdünnen der Fahrpläne, also ein Rückzug des ÖPNV.
Ziel „Ausbau des SPNV vorantreiben“ – Mittel hierfür fehlen
Der Umfang der vorgesehenen Erhöhung der Regionalisierungsmittel ist, wie dargelegt, womöglich ausreichend, um die aktuell entstehenden inflationsbedingten Mehrkosten auszugleichen. Für einen Ausbau werden durch diese Erhöhung hingegen keine Mittel zur Verfügung gestellt. Vor dem Hintergrund des im Koalitionsvertrag festgelegten Ziels der Verdoppelung der Fahrgastzahlen im SPNV ist diese Vernachlässigung unverständlich.
Fachlich unstrittig ist, daß eine Weiterentwicklung des ÖPNV, insbesondere eine erhebliche Erhöhung der Fahrgastzahlen, dreier nebeneinander umgesetzter Maßnahmen bedarf: Der Ausweitung des Angebotes, des besseren Zugangs zum ÖPNV ibs. durch niedrige Fahrpreise und Barrierefreiheit sowie ordnungspolitischer Eingriffe, um die Attraktivität des ÖPNV gegenüber dem MIV zu erhöhen. Um das zitierte Verdopplungsziel umzusetzen bedürfte es einer Strategie der Bundesregierung, die alle drei Maßnahmen umfaßt. Sie fehlt. Entsprechend fehlen auch die für den Ausbau notwendigen politischen Aktivitäten. Notwendige oder naheliegende ordnungspolitische Maßnahmen sucht man vergeblich, der begrüßenswerte Versuch, die Zugangshürden mit der Einführung des Deutschlandtickets zu verringern verzichtet in seiner Halbherzigkeit auf die Berücksichtigung sozial schwacher Nutzer*innen und die Mittel für den notwendigen Ausbau werden jedenfalls für 2023 nicht zur Verfügung gestellt.
Ziel „Beitrag des ÖPNV zur Mobilitätssicherung absichern“ – kommunaler ÖPNV vernachlässigt
Das Funktionieren des ÖPNV beruht auf einer klugen Verknüpfung von durch die Länder verantwortetem SPNV und dem in kommunaler Verantwortung gestalteten ÖPNV mit Bussen, Straßen- und U-Bahnen. Letzterer wird von den Kommunen finanziert und ist also in seinem Umfang, seiner Qualität und seiner Weiterentwicklung aktuell maßgeblich von der jeweiligen finanziellen Leistungsfähigkeit der einzelnen Kommune abhängig. In dieser Diversifizierung liegt ein Risiko für einen funktionierenden ÖPNV und seine Weiterentwicklung, das sich vielfach schon heute verwirklicht. Umfang und Qualität der Verkehrsleistungen variieren bundesweit, insbesondere besteht ein nicht vertretbares Gefälle zwischen städtischen und ländlichen Räumen, das die notwendige Weiterentwicklung des ÖPNV behindert, ihr teilweise sogar entgegenwirken.
Mit dem Regionalisierungsgesetz beschränkt der Bund seine Unterstützung weitgehend auf den SPNV. Dieser Fehler wird im vorliegenden Gesetzentwurf perpetuiert. Um einen Beitrag zur Mobilitätsabsicherung durch den ÖPNV zu leisten, wäre eine Ausweitung der Zweckbestimmung der Mittel aus dem Regionalisierungsgesetz (und in der Folge eine Ausweitung der hierfür zur Verfügung gestellten Mittel) auf die Finanzierung des ÖPNV mit Bussen, Straßen- und U-Bahnen zwingend notwendig.
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