Aus dem DGB Personalreport 2023
Wie äußert sich der Klimawandel im Main-Taunus-Kreis?
Daniel Philipp: Ich finde drei Aspekte zentral: Erstens sieht man die Veränderung im Wald. Wir haben sehr guten Boden, aber auch bei uns sind durch Dürre und Borkenkäfer viele Kahlflächen entstanden. Die müssen jetzt aufgeforstet werden. Bis dahin sind es Wunden in der Landschaft, die weisen auf den Klimawandel hin. Der zweite Punkt ist das Wasser. Unsere Städte und Gemeinden haben zwar eigene Quellen, aus denen sie Wasser fördern. Das reicht aber nicht mehr, um die Bevölkerung zu versorgen. Also wird Wasser über den Verbund Hessenwasser dazugekauft. Das kommt aus dem Hessischen Ried, also aus der Rheinebene. Wir haben Wasserknappheit, deshalb steht Kommunen ofteine Wasserampel auf der Webseite. Momentan leuchtet sie gelb, man soll also die Entnahme vermeiden und sparsam sein. Wobei das immer gelten muss, schon in der Bauleitplanung. Hier sollte schon die Grauwassernutzung durch eine Zisterne eingeplant sein. Es ist unsinnig, Trinkwasser für die Klospülung zu nutzen.
Und der dritte Aspekt?
Das ist der Vormarsch der Tigermücke, die üble Krankheiten übertragen können. Sie arbeitet sich vom Freiburger Raum gerade den Rhein hoch, mittlerweile haben wir sie auch Main. Wir sind mit den Städten am Main direkt betroffen. Wir sensibilisieren die Menschen und zeigen, worauf sie achten müssen.
Wie sieht in diesem Kontext ein typischer Arbeitstag eines Klimaschutzmanagers aus?
Eine klare Struktur gibt es nicht, wir arbeiten sehr stark projektorientiert. Wir haben zum einen die Aufgabe, das Klimaschutzkonzept umzusetzen, das auch ein Maßnahmenpaket beinhaltet. Ich arbeite ämterübergreifend und koordinierend. Je nach Maßnahme stricke ich mir ein Team zurecht, welches mich unterstützt. Der zweite große Schwerpunkt ist die Öffentlichkeitsarbeit. Ich organisiere Veranstaltungen oder Arbeitsgruppen, bringe verschiedene Akteur:innen zusammen, vernetze zivilgesellschaftliche Gruppen, Kirchen, Vereine.
Und wie ist die Stellung innerhalb der Verwaltung?
Bisher ist Klimaschutz noch freiwillige Aufgabe, hat also die gleiche Rangordnung wie das kommunale Kulturangebot. Ich bin also vor allem beratend tätig. Wir können also nur mit Fakten arbeiten und versuchen zu überzeugen. Das wird von der Verwaltung aber gerne angenommen. Das Thema Klima wird zunehmend wichtig genommen.
Gibt es Beispiele für erfolgreiche Projekte im Main-Taunus-Kreis?
Einige. Wir sind als Kreis Schulträger und bewirtschaften 56 Schulen. Wir müssen ständig sanieren. Und durch den Zuzug der letzten Jahre brauchen wir Erweiterungsbauten, die Schulen haben ein Raumproblem. In all diese Planungen werde ich einbezogen. Dadurch konnten wir beraten, nach welchem energetischen Standard wir bauen wollen. In der Regel Passivhaus. Durch diesen Standard konnten wir Fördermittel vom Bund und vom Land beantragen, dadurch war es für den Kreis nicht wesentlich teurer. Das war ein Erfolg. Und diese Standards – Dämmung, Wärmeschutz, erneuerbare Energie, Grauwassernutzung etc. – wurden für die Zukunft festgeschrieben. Die gelten jetzt grundsätzlich für alle Schulbauten. Außerdem werde ich bei der Zusammenarbeit von Städten und Gemeinden oft dazu geholt. Hier in der Gegend werden zum Beispiel viele Rechenzentren gebaut, da brauchen wir eine effektive Abwärmenutzung, auch über Stadt- oder Gemeindegrenzen hinaus. Sowas koordiniere ich.
Gab es Punkte, an denen es Widerstand gegen Projekte gab?
Ja, immer wieder. In solchen Fällen hilft es, wenn Maßnahmen im Klimaschutzkonzept aufgeführt sind. Denn die werden ja vom Kreis beschlossen, und damit kann ich mich darauf gut beziehen. 2016, als ich anfing, wollte ich ein Jobticket für die Beschäftigten einführen. Das wurde erst blockiert, aber es stand ja im Klimaschutzkonzept. Am Ende hatten wir ein Jobticket und einen komplett elektrifizierten Fuhrpark. Die Dienstmobilität findet jetzt zum Großteil elektrisch statt.
Demnach bewegt sich was auf der kommunalen Ebene.
Natürlich gibt es Erfolge, aber insgesamt bewegt sich zu wenig. Es ist momentan sehr von der Leitungsebene abhängig. Wenn Klimaschutz auf der oberen Ebene der Dienststelle als nebensächlich angesehen wird, was vielerorts der Fall ist, dann können auch die besten Klimaschutzmanager:innen nichts erreichen. Und oft kommen wir nicht weit, weil uns die finanziellen Ressourcen fehlen. Ich vergleiche es immer mit der Feuerwehr. Der wird jeder Wunsch erfüllt, die sind bestens ausgestattet mit Gerätschaften und Fahrzeugen. Das finde ich auch richtig. Aber im Endeffekt ist Klimaschutz genauso wichtig. Wir kriegen als Bundesverband oft die Rückmeldung, dass Kolleg:innen frustriert sind. Sie können allenfalls kleine Maßnahmen umsetzen.
Wie sieht denn die Förderung von kommunalem Klimaschutz momentan aus?
Es gibt die Bundesförderung, die Personalstellen im Klimaschutz fördert. Eine Projektstelle für Klimaschutzmanager:innen wird zunächst für zwei Jahre mit 60 Prozent unterstützt, mit der Option der Verlängerung auf fünf Jahre. Plus Sachkosten. Vorgabe ist, dass zunächst ein Klimaschutzkonzept erarbeitet werden muss. In den Förderrichtlinien ist definiert, was ein Klimaschutzkonzept alles umfasst.
Dann haben die meisten Klimaschutzmanager:innen durch die Projektförderung einen befristeten Arbeitsvertrag?
Halbe-halbe. Die Zahl der Klimaschutzmanager:innen ist zuletzt stark gestiegen. Dabei haben einige Kommunen auf die Bundesmittel verzichtet und direkt jemanden fest eingestellt. In anderen Kommunen wird zwar die fünfjährige Förderung mitgenommen, aber die Stelle danach nicht entfristet. In vielen Kommunen, vor allem in Kreisen, wird das Personal nach den fünf Jahren aber auch übernommen. Es ist auch schwer zu erklären, eine solche kommunale Koordinierungsstelle mitten in der Klimakrise abzuschaffen.
Die Befristung ist aber für die betroffenen Kolleg:innen dennoch eine Belastung, denke ich.
Stimmt. Selbst bei denen, denen beim Antritt ihrer befristeten Stelle versichert wird, dass sie übernommen werden, ist es eine psychische Belastung. Man arbeitet fünf Jahre lang ohne sichere Perspektive. Das blockiert die Familienplanung, man bekommt kein Darlehen für den Hausbau. Diese Befristungspolitik sollte man beenden. Sie verschlechtert auch die Position der Klimaschutzmanager:innen im Machtgefüge einer Kommune. Jemand, der nur ein paar Jahre dort arbeitet, der wird nicht so ernst genommen.
Was fordert der Bundesverband, um den Klimaschutz in Kommunen zu stärken?
Wir fordern, dass Klimaschutz eine Pflichtaufgabe für Städte, Gemeinden und Kreise wird. Das verlangt auch das Bundesverfassungsgericht in seinem wichtigen Urteil von 2021. Klimaschutz muss Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen sein. Denn an vielen Orten, vor allem in kleinen Gemeinden im ländlichen Raum, passiert noch viel zu wenig.
Wie schätzt ihr die Möglichkeiten ein, diese Forderung durchzusetzen?
Es ist ein dickes Brett, das wir da bohren müssen. Wir haben in der Verfassung das Durchgriffsverbot, demzufolge der Bund keine direkten Aufgaben an die Kommunen erteilen darf. Demnach brauchen wir eine Grundgesetzänderung. Dafür wurde von Dr. Roda Verheyen ein Rechtsgutachten erstellt, der Vorschlag wäre umsetzbar. Aber aktuell fehlt der politische Wille. Deshalb sind wir dabei, die Forderung in einem breiten Bündnis aus Gewerkschaften, Kirchen und Umweltgruppen in die Gesellschaft zu tragen. Da sind viele dabei, wir setzen auf einen mittelfristigen Erfolg.
Zurück zum Main-Taunus-Kreis: Wie ist denn in den Bereichen, die beim Thema Klimaschutz relevant sind, die Personalausstattung der Verwaltung?
Nicht ausreichend. Ich habe viel mit den Bauämtern zu tun, die Genehmigungen erstellen und beraten, etwa zum Gebäudeenergiegesetz. Oder mit der Unteren Wasserbehörde, die für die Genehmigung von Wärmepumpen zuständig ist. Da ist das Personal überall knapp. Insbesondere, wenn es um freiwillige kommunale Leistungen geht. Und es wird immer schlimmer, weil die Kommunen immer mehr Aufgaben zugewiesen bekommen. Der Bund verpflichtet jetzt die Länder zu einer verpflichtenden Wärmeplanung. Die Länder geben das weiter an die Kommunen, die erhalten dafür aber nur einen Konnexitätsausgleich. Der reicht höchstens aus, um die Wärmeplanung durch ein Büro erstellen zu lassen. Im Anschluss müssen aber auch Maßnahmen umgesetzt werden. Ich sehe nicht, wer das machen soll. Die Idee der Wärmeplanung ist gut, aber es geht nicht ohne weiteres Personal.
Wie lautet das Fazit: Kann der öffentliche Dienst Klimakrise?
Der öffentliche Dienst ist flexibler als man denkt. Das hat man bei Corona gesehen oder jetzt bei der Ukraine und den vielen Geflüchteten. Und beim Klimaschutz sieht man das auch. Die kommunale Ebene kann Klimaschutz, wenn man sie unterstützt. Es braucht mehr Ressourcen. Aber wir haben tolle Leute in den Verwaltungen, die bei meinen Projekten gerne dabei sind. Das geht von der nachhaltigen Beschaffung bis zum Baumanagement. Da ist viel Wissen vorhanden und viel Willen.
Das klingt nach vorsichtigem Optimismus.
Naja, man braucht in der Position einen langen Atem. Ich habe vor allem die Sorge, dass sich in der Gesellschaft die Vogel-Strauß-Politik weiter ausbreitet. Viele wollen nicht, dass sich etwas ändert, sie stecken den Kopf in den Sand. Ich halte es immer mit Ulrich Beck, dem verstorbenen Soziologen: „Wenn sich nichts ändert, wird nichts bleiben, wie es ist.“ Das müssen wir den Leuten klarmachen.
Daniel Philipp ist Klimaschutzmanager im Main-Taunus-Kreis und bei ver.di aktiv. Er hat in Bielefeld Soziologie studiert und danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Landtag von NRW, Geschäftsführer, Coach und Mediator gearbeitet. 2016 trat er die Stelle in der Kreisverwaltung an. Außerdem ist er Vorsitzender des Bundesverbands Klimaschutz, in dem viele kommunale Klimaschutzmanager:innen organisiert sind.
Der Main-Taunus-Kreis ist mit 220 Quadratkilometern der kleinste Flächenkreis in Deutschland und hat dabei die zweithöchste Bevölkerungsdichte. Er liegt zwischen Wiesbaden und Frankfurt. Viele Deutschlandsitze großer Unternehmen befinden sich hier, dadurch gibt es im Vergleich sehr hohe Steuereinnahmen.
Bundesfachgruppenleiterin Kommunalverwaltung
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