TÜV

Sachverstand als Luxus

12.12.2024

Im vergangenen November brachte der ADAC mit einer Umfrage die Debatte ins Rollen. Die Kosten für den Führerschein seien enorm gestiegen. Die Mehrheit der Schüler*innen zahle zwischen 2.500 und 3.500 Euro für den Führerschein, bei 13 Prozent der Befragten lägen die Kosten um bis zu 1.000 Euro darüber. „Warum ist der Führerschein so teuer?“ – diese Frage wird seitdem in den Medien diskutiert.

Unter dem wohlklingenden Titel „Damit Mobilität nicht zum Luxus wird – Für einen bezahlbaren Autoführerschein“ hat die CDU-Bundestagsfraktion die Debatte aufgegriffen und einen Antrag in den Bundestag eingebracht. Er zielt vor allem auf eine Deregulierung der Fahrerlaubnisprüfung. Bisher wird diese regional von einem Prüfunternehmen (eines der TÜV-Unternehmen oder Dekra) sicher-gestellt. Sie stellen die Termine der praktischen Fahrprüfung bereit und überwachen die theoretische Prüfung. Abgerechnet wird nach festen Gebührensätzen, die sich auch in den vergangenen Jahren nicht sonderlich erhöht haben. Aktuell sind das für beide Prüfungen etwa 140 Euro, somit drei bis sechs Prozent der Gesamtkosten. Die Gebühren sind dabei kostendeckend ausgelegt, die Unternehmen stellen sicher, dass es eine Versorgung auch im ländlichen Raum gibt. Dieses funktionierende System möchte die CDU aufbrechen und „die Fahrerlaubnisprüfung für neue Anbieter öffnen“. Sie kann dabei auf den Koalitionsvertrag verweisen, dem zufolge die Ampel-Regierung „das Monopol bei der Fahrerlaubnisprüfung […] aufheben“ will. Betroffen davon wären rund 2.000 Prüfer*innen.

Tatsächlich führt der ADAC die gestiegenen Kosten vor allem auf die Inflation zurück. Zudem gibt es einen weiteren kostenintensiven Trend: Die Anzahl der theoretischen und praktischen Prüfungen haben laut Kraftfahrtbundesamt 2023 einen Rekordwert erreicht. Ebenso gibt es einen Rekord bei der Durchfallquote. Knapp die Hälfte der theoretischen Prüfungen scheitert. Bei der praktischen Prüfung liegt die Quote bei rund 40 Prozent. Beide Quoten sind in den vergangenen zehn Jahren um etwa zehn Prozentpunkte angestiegen, also drastisch. Jede Wiederholung ist mit neuen Praxis- und Theoriestunden verbunden. Das steigert zwar den Umsatz der Fahrschulen, belastet aber das Prüfungssystem und führt die Kosten für die Prüflinge in die Höhe. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Hier liegen die Ursachen für den Kostenanstieg und nicht etwa bei den Prüfer*innen.

Neutrale und zuverlässige Prüfer*innen mit dem nötigen Sachverstand sind kein Luxus, wie es die CDU impliziert. Selbst der Fahrlehrerverband IDFL sprach mit Blick auf das Unions-Konzept in der Frankfurter Rundschau von „völligem Unsinn“.

Es geht hier also offensichtlich nicht um eine Senkung der Kostenstruktur, sondern um ideologische Fragen. „Anbieteröffnung“, „Monopole aufheben“, das ist die Sprache einer neoliberalen Politik. Unter dem Scheinvorwand der Reduzierung der Führerscheinkosten soll hier die Ideologie vom freien Markt durchgesetzt werden. Für die über 4.000 Beschäftigten würde dies Lohnkonkurrenz und Unsicherheit des Arbeitsplatzes bedeuten. Für das Prüfungssystem würde eine Deregulierung die Neutralität der Prüfer*innen untergraben und die Qualität der Prüfungen in Mitleidenschaft ziehen.

Betriebs- und Gesamtbetriebsräte aus den Prüfungsunternehmen weisen in einem Positionspapier auf die Gefahren hin: „Durch einen dann entstehenden Wettbewerb der Anbieter sehen wir die Gefahr eines erheblichen Qualitätsverlustes bei der Fahrerlaubnisprüfung. Eine Fahrerlaubnisprüfung ist nicht reproduzierbar, wenn die Prüfung stattgefunden hat, ist die Prüfungsqualität nicht mehr nachvollziehbar.“ Allein dieser Punkt macht deutlich, wie wichtig gut ausgebildete, neutrale Prüfer*innen sind – für ein flächendeckendes, funktionierendes Prüfungssystem und für die Verkehrssicherheit aller. Die CDU sollte sich den Luxus gönnen, die Hinweise der Betriebsräte ernst zu nehmen. 

**Update Dez. 2024**

CDU-Antrag gescheitert – doch was kommt jetzt?

Vor einem Jahr hatte die CDU einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der darauf abzielte, das Prüfungswesen für die Führerscheinprüfung zu deregulieren und für „neue Anbieter“ zu öffnen. Bisher wird die Versorgung mit Prüfungen über die Technischen Prüfstellen von TÜV und DEKRA garantiert.

Der Arbeitskreis der zuständigen (Gesamt-)Betriebsräte von TÜV und DEKRA stemmte sich gemeinsam mit ver.di mit einer Stellungnahme an die Parlamentarier dagegen und warnte nicht nur vor einer Verschlechterung des Prüfungswesens, sondern auch vor einem Angriff auf die tariflichen und mitbestimmten Arbeitsbedingungen. (siehe…)

Nach langem Gezerre wurde der Antrag Mitte Oktober final im Verkehrsausschuss behandelt und an den Bundestag zurückgespielt mit der Empfehlung, den Antrag abzulehnen. Nur die Fraktionen von AFD und CDU hielten weiterhin an dem Vorhaben fest. Mit dem Ampel-Aus ist nun auch dieser Antrag endlich begraben. Doch was steht uns nach der Bundestagswahl im Februar 2025 bevor? Wie auch immer die Regierung gestrickt sein wird, es ist klar, wir müssen uns von Beginn dafür stark machen, diese Deregulierung zu verhindern.

Hintergründe dazu und die Stellungnahmen finden sich hier….

 

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