Schifffahrt

Aktionswoche 2024: Seeleute arbeiten am Limit

Massive Missstände auf Schiffen in deutschen Seehäfen – Überlange Arbeitszeiten gefährden Gesundheit und Sicherheit
09.09.2024

Die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF) und die Gewerkschaft ver.di haben in einer gemeinsamen Aktionswoche (2. bis 6. September) verstärkte Anstrengungen unternommen, um die katastrophalen Arbeitsbedingungen von Seeleuten in deutschen Nord- und Ostseehäfen zu beleuchten. Unter dem Motto „Faire Arbeitszeiten auf See: Sichere, gesunde und menschenwürdige Arbeit für alle Seeleute“ liegt der Fokus auf einem brisanten Problem: Übermüdung durch Überarbeitung.

Die Inspektor*innen der ITF, unterstützt von Hafenarbeiter*innen und Freiwilligen, gingen an Bord von fast 50 Schiffen in acht Häfen der Nord- und Ostsee - Hamburg, Bremen und Bremerhaven, Lübeck, Wismar, Rostock, Brake und Wedel. Ihr Ziel: Die Einhaltung von Tarifverträgen sowie die Überprüfung der Arbeits- und Ruhezeiten. Es stellte sich heraus, dass zahlreiche Seeleute aufgrund von Personalmangel und betrieblichem Druck gezwungen sind, ihre Ruhezeiten zu manipulieren, um die internationalen Vorschriften auf dem Papier einzuhalten.

„Wie wir erwartet haben, wurden bei fast allen Kontrollen Verstöße bei der Aufzeichnung von Arbeitszeiten, Ruhezeiten und Überstunden festgestellt. Einige Schiffe nahmen überhaupt keine Überstundenaufzeichnungen vor, bei anderen waren die Besatzungen gezwungen, ihre Arbeits- und Ruhezeiten zu manipulieren, um die Flaggen- und internationalen Vorschriften einzuhalten“, so Susana Ventura von ver.di. Besonders dramatische Verstöße entdeckten die Inspektoren auf einem Schiff unter der Flagge von Antigua und Barbuda im Hamburger Hafen: Hier arbeitete die Crew bis zu 397 Stunden im Monat – fast doppelt so viel wie an Land erlaubt.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie der World Maritime University (WMU) zeigt alarmierende Unterschiede in den Arbeitszeiten von Seeleuten. Nur 3,3 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeiten entsprechen den weltweit üblichen 43 Stunden, während über 64 Prozent der Seeleute angaben, ihre Arbeitszeitaufzeichnungen regelmäßig zu manipulieren.

Das Kernproblem liegt an zu wenig Personal an Bord: Viele Schiffe fahren mit Mindestbesatzung in die kein Personal für Schichtwechsel eingeplant ist. Das lässt den Seeleuten nicht genug Zeit für die notwendige Erholung. Dies gefährdet nicht nur ihre Gesundheit, sondern auch die Sicherheit auf See. „Die Mindestbesatzung dient dazu, den sicheren Schiffsbetrieb zu gewährleisten – sie darf nicht als Betriebsstandard verwendet werden“, kritisiert Ventura. Schifffahrtsunternehmen, so ihre Forderung, müssten verstärkt reguliert werden.

Mit der Kampagne setzen ITF und ver.di ein klares Zeichen: Ohne tiefgreifende Reformen in der Schifffahrtsindustrie drohen weitere gravierende Missstände. Die Gewerkschaften fordern eine strengere Überwachung der Arbeitszeitvorschriften, eine Erhöhung der Besatzungsstärke sowie eine stärkere Verantwortlichkeit der Reedereien und Flaggenstaaten, um die Sicherheit und Gesundheit der Seeleute zu gewährleisten.

Die Pressemitteilung zur Aktionswoche liest Du hier.

 

Kontakt

  • Susana Pereira Ventura

    Lei­te­rin ITF Ver­­­trags­­bü­ro Deutsch­­land / Head of ITF Agree­­ments Ger­­ma­ny

    030/6956-2630