Publikation

Waterfront 02/2022

16.08.2022

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Phänomen der Krise schickt sich an, ein prägender Baustein des Zeitgeistes zu werden. Zur Klimakrise kamen die Coronapandemie und die damit korrelierenden Versorgungsengpässe. Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine hat sich das Krisenszenario um die Themen Energie und Preissteigerung erweitert. Infolgedessen hat die Inflationsrate in diesem Jahr bereits ungeahnte Höhen erlebt. Wir alle merken es an der Supermarktkasse, der Tankstelle oder beim Blick auf die Betriebskostenabrechnung. Und auch bei perspektivisch wieder sinkender Inflationsrate steht zu befürchten, dass die Konzerne sich hinsichtlich ihrer Preisgestaltung davon wenig beeindruckt zeigen. Leidtragende sind vor allem jene Kolleginnen und Kollegen mit niedrigeren Einkommen. Sie werden durch die aktuelle Situation vor besondere Herausforderungen gestellt. Auch deshalb sind die diesjährigen Tarifauseinandersetzungen in der maritimen Wirtschaft besonders konfliktträchtig. Der Bericht zur Lohntarifrunde in den deutschen Seehäfen gibt hier beispielhaft Einblick. Die Kolleginnen und Kollegen sind nicht bereit, einen Reallohnverlust hinzunehmen und setzen sich lautstark für einen echten Inflationsausgleich und eine kräftige Lohnerhöhung ein.

Seit 1978 wurde in den Seehäfen nicht mehr flächendeckend gestreikt, die aktuelle Situation machte dies jetzt nötig. Die Welt scheint aus dem Takt geraten und aller Orten werden jetzt die Versäumnisse der Vergangenheit sichtbar. Eine marode Infrastruktur und schrumpfendes deutsches maritimes Know-how wurden bisher billigend in Kauf genommen und fallen uns jetzt auf die Füße. Leere Supermarktregale haben den Fokus auf die essenzielle Bedeutung der maritimen Wirtschaft für eine funktionierende deutsche Volkswirtschaft gelenkt. Hierin besteht auch eine Chance. Eine Chance zur Veränderung, für eine bessere, soziale maritime Wirtschaft mit Zukunft. Noch immer wird Seeleuten der Landgang verwehrt und nicht alle haben Zugang zu Impfmöglichkeiten. Das Image der romantischen Seefahrt bröckelt und die Ausbildungszahlen für den in Deutschland einmaligen Beruf des Schiffsmechanikers befinden sich auf einem Rekordtief. Das maritime Know-how in Deutschland droht zu erodieren.

Die maritime Politik in Deutschland ist stark föderal geprägt und genießt im Vergleich mit hafengeprägten Nachbarländern eine untergeordnete Stellung. Die Diskussion um eine neue Nationale Hafenstrategie setzt hier an. Die verschiedenen Schlaglichter in dieser Ausgabe weisen auf eines hin: Wir brauchen eine Trendwende in der maritimen Politik. Wir haben jetzt die Wahl: entweder ins allgemeine Klagen um die diversen Krisenszenarien einzustimmen oder die Ärmel hochzukrempeln und Anforderungen an eine zukunftsfähige maritime Wirtschaft zu formulieren, die die Beschäftigten in den Fokus stellt. Packen wir’s an!

Mit kollegialen Grüßen
Maya Schwiegershausen-Güth

 

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